News Update
5. Juni 2007
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Frankfurter Allgemeine Zeitung
Ehrt eure großen Meister
Martin Lhotzky
Gottfried Helnwein kuratiert Carl-Barks-Ausstellung in Österreich
Das Karikaturmuseum Krems hat den Maler Gottfried Helnwein dafür gewinnen können, seine vor mehr als einem Jahrzehnt bereits in zehn europäischen Museen gezeigte Schau über das Wirken des im Jahr 2000 verstorbenen amerikanischen Comickünstlers Carl Barks in neuem Gewande nun auch den Österreichern zugänglich zu machen. Der unvorbereitete Besucher des bunten Karikaturentempels in der fast schon kitschig pittoresken Donaulandschaft Wachau wird nicht mit Spitzfindigkeiten skurriler Comicinterpreten konfrontiert. Mit erstaunlich sanfter Hand führt der selten wegen übertriebener Bescheidenheit gerühmte Ausstellungsmacher Helnwein, unterstützt vom Berliner Comicgaleristen Carsten Laqua und dem Cartoonisten Manfred Deix, durch den Kosmos der Familie Duck.
Fast direkt vor dem mittelalterlichen Stadttor von Krems an der Donau steht die trutzige Justizvollzugsanstalt Stein - eins von Österreichs größten Gefängnissen. Einige der Insassen des Vordertraktes scheinen sich schon diebisch auf den „Tag E“ zu freuen, den Tag der Entlassung. Gefährliche Saboteure wie Professor Pomp oder gar die berüchtigten Mitglieder der Panzerknacker AG erinnert der Ausblick durch die schwedischen Gardinen an das Traumziel eines jeden Kapitalverbrechers, denn sie haben stets die Fassade des größten Tresors der Welt vor Augen: des Geldspeichers von Dagobert Duck, seines Zeichens Entenhausener Fantastilliardär. Die genannten Strafgefangenen sind die Wucherung einer Kremser Ausstellung, in freundlicher Kollaboration mit der Justiz an die Außenmauern der Haftanstalt gepinselt.
Das Karikaturmuseum Krems hat den Maler Gottfried Helnwein dafür gewinnen können, seine vor mehr als einem Jahrzehnt bereits in zehn europäischen Museen gezeigte Schau über das Wirken des im Jahr 2000 verstorbenen amerikanischen Comickünstlers Carl Barks in neuem Gewande nun auch den Österreichern zugänglich zu machen.
Eine Ente mit Nehmerqualitäten
Aufmerksamen Lesern dürfte Barks kein Unbekannter sein. Er arbeitete von 1935 bis 1942 in den Disney-Zeichentrickfilmstudios. Erst als Hilfskraft fürs Tuschen und Kolorieren der Einzelbilder zuständig, verschaffte ihm sein Witz bald den Aufstieg in die Storyboard-Abteilung, wo er Ideenlieferant für mehr als fünfunddreißig Kurzfilme wurde. Nach dem gesundheitsbedingten Ausscheiden entdeckte man noch 1942 sein wahres Talent: Als Comiczeichner schuf Barks in den folgenden drei Dekaden mehr als sechstausend Comicseiten und 190 Titelblätter, beinahe vierhundert Geschichtenvorlagen sowie im Ruhestand zahlreiche Ölgemälde. Alle diese Kunstwerke erzählen fast ausschließlich vom Leben der Familie Duck in Entenhausen.
Überraschend bescheiden für Gottfried Helnwein
Der unvorbereitete Besucher des bunten Karikaturentempels in der fast schon kitschig pittoresken Donaulandschaft Wachau wird nicht mit Spitzfindigkeiten skurriler Comicinterpreten konfrontiert. Mit erstaunlich sanfter Hand führt der selten wegen übertriebener Bescheidenheit gerühmte Ausstellungsmacher Helnwein, unterstützt vom Berliner Comicgaleristen Carsten Laqua und dem Cartoonisten Manfred Deix (der übrigens die andere Hälfte des Museums in Form einer ständigen Ausstellung seiner Werke quasi in Besitz genommen hat), durch den Kosmos der Familie Duck.
Eine emotionale Ente
Ein Wiedersehen mit Donald-Trickfilmen aus den dreißiger Jahren, an denen Carl Barks mitgearbeitet hat, ist ebenso reizvoll wie die allgemeinen Erläuterungen zum gesellschaftlichen Umfeld im beginnenden Kalten Krieg, als Entenhausen in den deutschen Sprachraum kam. Hier wie in den Vereinigten Staaten wurden Comics zu Schund erklärt und öffentlich vernichtet, bisweilen gar verbrannt. Disneyprodukte freilich blieben davon verschont: Die Micky-Maus-Hefte, die seit September 1951 auf deutsch erschienen, warben mit dem sauberen Idealbild der wenig jugendgefährdenden Disney-Zeichentrickfilme. Dennoch hat der Name „Micky Maus“ als Pejorativ und Diminutiv Eingang in den deutschen Sprachschatz gefunden - ein Schicksal, das Familie Duck erspart blieb.
Die Ente mit den vielen Berufen
Das sehen die Ausstellungsmacher nicht unwesentlich darin begründet, dass jenes fiktive Schatzkästchen deutscher Zunge auch aus dem Munde Entenhausener Einwohner gefüllt wurde. Die Konsequenz daraus ist ein eigener Raum, der neben der graphisch ausgeschmückten Biographie des Zeichners Barks - verstärkt durch Devotionalien wie dem Originalwerktisch, Zeichenbögen und Tuschfedern - auch den Lebenslauf seiner deutschen Übersetzerin Erika Fuchs vorstel. Die Wände sind mit ihren Sprechblasentexten tapeziert. Goethe- und Schillerzitate (in der amerikanischen Vorgabe wurde meist Shakespeare eingeflochten) stehen da gleichrangig neben Blüten der Fuchsschen Genialität. Der bekannte Spruch des Erfindergenies Daniel Düsentrieb („Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“) paart sich mit Existentialphilosophie: „Das Leben ist eines der schönsten!“
Eine mitunter ärgerliche Ente
Ein Saal präsentiert liebevoll, wenn auch nicht annähernd vollständig, eine pralle Ansicht von Nebenfiguren, die dem Comicfreund aus den Bildern von Barks wohlvertraut sind: pflaumennasige Banditen, schweinsrüsselige Ganoven (die Würdenträger mit ähnlicher Physiognomie wie Bürgermeister und Direktoren scheinen Helnwein weniger interessant), verrückte Forscher, weise Waldschrate, stadtbekannte Sonderlinge und als eigene Untergruppe: Frauen. Diese Personen heben Barks' Erzählungen bis heute unter anderen Comics mit vergleichbar theriomorphen Protagonisten hervor. Eine riesige Schautafel verweist noch auf die zahlreichen Berufe, in denen Barks Donald Duck porträtiert hat: als Aushilfsbäcker, Detektiv, Feuerwehrmann, Fischzüchter, Forschungsreisenden, Glasermeister, Glockendoktor, Hilfsbriefträger, Hühnerzüchter, Inkassoeintreiber, Kapitän zur See, Museumswärter, Reporter, Rettungsschwimmer, Scheckbetrüger, Wechselfälscher - halt, falsch, die letzten beiden Jobs wurden dem cholerischen Kleinbürger nur angeboten. Doch auch so wirkt das berufliche curriculum vitae des Donald Duck schier endlos.
Das Hochgefühl frohen Wiederentdeckens
Aus Privatsammlungen, nicht zuletzt Helnweins eigener, versetzen zahlreiche Originalskizzen und Druckvorlagen die Besucher teils in Staunen, teils ins Hochgefühl frohen Wiederentdeckens. Zwei Skizzenblätter für „King $crooge the First“ von 1967 sind hier zum ersten Mal zu sehen, eine Publikation verspricht Carsten Laqua für die nahe Zukunft. Viel Arbeit steckte jedenfalls hinter jeder Seite der Heftchen, die einst für nur einen Groschen beim Zeitungshändler zu erstehen waren. Der Katalog kostet heute deutlich mehr.
Vielseitige Ente, diesmal von hinten
Einige neuere Arbeiten von Manfred Deix, der österreichische Politiker (Stand vom Jahr 2000 - ächz!) als Entenhausener darstellt, wiegen jedoch die darin vorherrschende bedauerliche Manie nicht auf, Barks-Bilder durch den Abdruck auf einer Doppelseite durch den unvermeidlichen Knick in der Mitte zu entwerten, ja, teilweise zu entstellen.

Bis 4. November. Der reich bebilderte, beinahe zur Hälfte allerdings aus anderen Publikationen des Ausstellungsmachers zusammengesetzte Katalog kostet in der Ausstellung 19,90 Euro.
Carl Barks
1954
Carl Barks, Gottfried Helnwein
1992
Text: F.A.Z., 05.06.2007, Nr. 128 / Seite 35
Bildmaterial: Disney, Gottfried Helnwein




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