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4. November 2011
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Marktberichte
Sotheby's New York - Auktions-Vorbericht
Mit der zeitgenössischen Kunst knüpft Sotheby’s in New York an alte Hochzeiten an
Aus Österreich grüßt schließlich Gottfried Helnwein mit seiner „Midnight Mickey“ von 2001, die doch etwas gefährlicher zu sein scheint als Warhols Exemplar (Taxe 80.000 bis 120.000 USD).
Vier Clyffords für ein Clyfford-Museum
Am 18. November ist es soweit: An diesem Tag wird in Denver, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Colorado, ein neues Museum zu Leben und Werk des amerikanischen Künstlers Clyfford Still eröffnet. Mehr als dreißig Jahre nach dem Tod des Künstlers wird damit wahr, was Still selbst sich wohl am meisten gewünscht hätte: Dass sein Werk möglichst umfassend der Öffentlichkeit zugänglich wird. 2004 hatte seine zweite Ehefrau Patricia Still Denver gleichsam den Zuschlag erteilt, den Nachlass ihres Mannes zu verwahren. Ein Jahr später vermachte sie der Stadt auch ihre eigene Sammlung, die unter anderem das komplette Archiv des Künstlers umfasst. Nahezu 2.400 Werke der Jahre zwischen 1920 – Clyfford wurde 1904 geboren – und seinem Tod 1980 wird das neue Museum in seiner Obhut haben.
Ganz ohne einen finanziellen Grundstock funktioniert das aber nicht. Daher wird sich die Stadt kurz vor der Museumseröffnung auf der New Yorker Sotheby’s-Gegenwartskunstauktion am 9. November noch von einigen kapitalen Stücken aus dem Vermächtnis Patricia Stills trennen: vier vollkommen marktfrische Gemälde, von denen eines – Clyfford Still pflegte seine Bilder nicht zu betiteln, sondern nur zu nummerieren, dieses trägt die Nummer „1947-Y-No. 2“ – bisher nicht einmal öffentlich ausgestellt war (Taxe 15 bis 20 Millionen USD). Das nach Größe, Qualität und Wert bedeutendste Bild ist die Nummer „1949-A-No. 1“, ein kosmisches Gewaber von Formen und Farben, ist unverwechselbar für die Hochphase des abstrakten Expressionismus. Hier stehen 25 bis 35 Millionen Dollar auf dem Etikett. 10 bis 15 Millionen Dollar soll die jüngste Arbeit kosten „PH-1033“, gemalt in roten Feuerflammen laut Datierung am 29. November 1979. Für etwas schmalere Geldbeutel hängt in mittelgroßem Format das relativ frühe, noch nicht ganz so frei gestaltete „PH 351“ von 1940 zu 1 bis 1,5 Millionen Dollar bereit. Dem Museum hat Sotheby’s für die drei Hauptwerke entsprechende Garantien gegeben, und auch „irrevocable bids“ liegen bereits vor. Der bisherige Still-Rekord beträgt übrigens 19 Millionen Dollar und stammt von November 2006.
Clyfford Still ist nicht der einzige Klassiker dieser gigantischen Auktion, die schon mit ihrer Gesamtschätzung von mindestens 215 Millionen Dollar für 76 Lose an beste Zeiten anzuknüpft. Im Gegenteil: An Meisterwerken der „älteren Gegenwart“ scheint diesmal geradezu ein Überangebot zu herrschen. Aus der Riege der amerikanischen Abstrakten hat sich beispielsweise noch Mark Rothko mit einer großen, dunklen, an Albers’ „Homage to the square“-Bildern erinnernden Leinwand in „Plum and Dark Brown“ von 1964 eingefunden (Taxe 8 bis 12 Millionen USD). Eine unbetitelte Farbexplosion Joan Mitchells von circa 1960 ging im Mai 2007 für 2,8 Millionen Dollar in eine Privatsammlung. Jetzt kommt sie für 4 bis 6 Millionen Dollar zum Aufruf. Auch die UBS Art Collection trennt sich von mehreren abstrakten Papierarbeiten kleineren Zuschnitts, darunter einer gedankenverloren in unterschiedlichen Techniken aufs Blatt gestrichenen Motivsammlung Robert Rauschenbergs von 1958 (Taxe 1 bis 1,5 Millionen USD), einem lyrischen Mosaikbalken in dominierendem Blau von Sam Francis aus dem Jahr 1958 (Taxe 400.000 bis 600.000 USD) und einer grimmigeren Kohlezeichnung Willem de Koonings aus der Zeit um 1950 (Taxe 1,2 bis 1,8 Millionen USD).
Überhaupt bereichern einige geschlossene Privatsammlungen die Auktion ganz erheblich. Ein Faible für Minimalismus hatte eine nicht näher bezeichnete „distinguished American Collection“ unter anderem mit Carl Andres rechteckigem Holzstapel „Pyre (Element Series)“ von 1960 (Taxe 2 bis 3 Millionen USD), Ellsworth Kellys rot-schwarzer Winkelkonstruktion „Chatham X: Black Red“ von 1971 aus einer ab 1968 erstellten Serie (Taxe 4 bis 6 Millionen USD) oder Donald Judds rot fluoreszierendem Plexiglas- und Edelstahlblock „Untitled (DSS 155)“ von 1968 für 5 bis 7 Millionen Dollar. Auch hier liegen unwiderrufliche Gebote bereits vor und sind dem Einlieferer Gewinnsummen garantiert. Dasselbe gilt für Andy Warhols „Mickey Mouse (Myth Series)“ von 1981 für 3 bis 5 Millionen Dollar und seine zweifache Leonardo da Vinci-Adaption „Last Supper“ in Orangerot von 1986 für 5,5 bis 7,5 Millionen Dollar, zwei der insgesamt acht Offerten des amerikanischen Pop Art-Künstlers. Ihm zur Seite steht Martial Raysse mit dem psychedelischen Bildnis einer unbekannten Schönen von 1964, deren Gesicht er als Fotografie in die Malerei eingefügt hat (Taxe 2 bis 3 Millionen USD).
Ein anderer Privatsammler liebte Gerhard Richter. Nicht weniger als acht seiner „Abstrakten Bilder“ kommen nun zum Aufruf, darunter das fast Dreieinhalb-Meter-Format Nummer 849-3 von 1997 in magisch schimmerndem Violett (Taxe 9 bis 12 Millionen USD) und die dagegen fast handliche Farbverwischung 679-1 von 1988 in fröhlichen Gelb-Rot-Grün-Tönen für 1,8 bis 2,5 Millionen Dollar. Letzteres wurde erst vor vier Jahren am selben Ort angeboten und kostete damals mit Aufgeld immerhin auch schon gut 3 Millionen Dollar. Dafür steht die Nummer 769-2 von 1992, auf die vertikalen Streifen wie Baumstämme über die Leinwand fegen, nun bei stattlichen 5,5 bis 7,5 Millionen Dollar: 2005 wurde sie ebenfalls bei Sotheby’s noch für lächerliche 120.000 bis 180.000 Dollar angeboten und bei 1,1 Millionen Dollar eingepackt. Eines der wenigen abstrakten Bilder, dem Richter einen Namen gab, ist „Gudrun“, 1987 mit assoziativem Bezug auf die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin entstanden (Taxe 5,5 bis 7,5 Millionen USD).
Dieser Privatsammlung abstrakter Bilder gehören jedoch nicht nur die acht Richter-Bilder sowie eine unbetitelte Papierarbeit Sigmar Polkes mit Schneefallmotiv für 250.000 bis 350.000 Dollar an, sondern auch ein weiteres Hauptwerk der Auktion: Francis Bacons „Interior of a room“ dürfte mit seiner Entstehung um 1935 eines der frühesten Ölgemälde des Künstlers sein, das man heute auf dem Markt überhaupt noch kriegen kann. Hart auf der Grenze zwischen Figuration und Abstraktion schildert Bacon in relativ schillernden Farben und perspektivisch kaum zu entwirren sein Sujet. Mit dem Schätzpreis rückt das Haus nur auf Anfrage heraus. 1998 wurde es bei Sotheby’s in London noch für 180.000 Pfund versteigert. Zwei Nullen wird man heute wohl dranhängen müssen. Bacons marktfrische „Three Studies for a Self-Portrait“, verzerrte Gesichter auf dunkelgrünem Grund aus der Hauptschaffenszeit des Künstlers 1967, sind dann mit 15 bis 20 Millionen Dollar ausgezeichnet. Für das skulpturale Programm sorgen David Smiths surreal inszenierten Stahlgewehre „Agricola XII“ in figuraler Anmutung von 1952 (Taxe 1,2 bis 1,6 Millionen USD) und Alexander Calders fünf Meter weites Mobile „Discos Redondos“ aus roten runden Scheiben von 1955 für 3 bis 4 Millionen Dollar.
Neben diesen vielen Großmeistern des 20sten Jahrhunderts gehen die etwas jüngeren Künstler fast unter. Von David Hammons gibt es eine unbetitelte Wandinstallation von 1996 mit einer absurd anmutenden Zusammenstellung afrikanischer Kultgegenstände mit selbstreflexivem Spiegel vorne auf (Taxe 1,5 bis 2 Millionen USD). Cindy Sherman ist mit ihrer fotografischen Selbstinszenierung samt lorbeerbekränztem Haupt „Untitled #282“ von 1993 für 700.000 bis 900.000 Dollar vertreten. Für Cady Noland, die Tochter des amerikanischen Farbfeldmalers Kenneth Noland, wird bei 2 bis 3 Millionen Dollar ein neuer Auktionsrekord erwartet. Dafür schickt sie ihre durchlöcherte Standscheibe des mutmaßlichen Kennedy-Mörders Lee Harvey Oswald „Oozewald“ im Augenblick seiner eigenen Ermordung am 24. November 1963 ins Auktionsgeschehen. Eine amerikanische Flagge hängt dieser 1989 geschaffenen Figur aus dem Mund.
Mit Eric Fischls sommerlicher Strandszene dreier Akte an der „Black Sea“ von 1986 wird bei 2 bis 3 Millionen Dollar ebenfalls ein neuer Spitzenpreis angestrebt. Drei der jüngeren Künstler weilen auch schon nicht mehr unter den Lebenden: Keith Haring mit seinem sechs Meter hohen Männchenturm „Untitled“ von 1986 in Rot, Blau und Gelb (Taxe 1 bis 1,5 Millionen USD), Juan Muñoz mit seiner raumfüllenden Installation „The Wasteland“ von 1987, in der ein kleiner Bronzezwerg über das verwirrende Muster eines Linoleumbodens blickt (Taxe 750.000 bis 950.000 USD) sowie Jean-Michel Basquiat mit seinem kritzeligen „Rape of Roman Torsos“ von 1982 für 2 bis 3 Millionen Dollar.
Die ganz junge Kunst ist dann die Sache der nachfolgenden Tagesauktion. Hier stehen nochmals rund 400 Positionen zur Verfügung, darunter auch eine Suite mit deutschen Künstlern. Mit seinen materialreichen, die deutsche Geschichte und Mythologie verwebenden Kunstwerken bestreitet Anselm Kiefer an vorderster Front das Angebot mit. Seine Hochhausstandansicht mit überlagerten Kleidern unter dem Titel „Lilith“ von 1998 rangiert bei 250.000 bis 350.000 Dollar, die Zwillingswachtürme „Cosmas und Demian“ von 1995 bei 180.000 bis 220.000 Dollar und der Holzschnitt „Der Rhein“ von 1991 in zehn unikaten Varianten bei 150.000 bis 250.000 Dollar. Auch Joseph Beuys griff auf deutsche Symbole zurück, so um 1950 auf eine als bemalte Collage niedergelegte „Hirschkuh“ (Taxe 200.000 bis 300.000 USD). Ebenso teuer ist Neo Rauchs geheimnisvolle Fabrikanlage „Plan“, 2000 vorwiegend in Rot gemalt. Mit 250.000 bis 350.000 Dollar liegt Albert Oehlens schlierige Farbabstraktion „DJ Techno“ von 2011 etwas höher.
Ebenso bunt, aber strenger geordnet kommt Anselm Reyles titelloses Steifenbild von 2006 daher (Taxe 100.000 bis 150.000 USD). Aus dem skulpturalen Sektor meldet sich Georg Baselitz mit dem grob behauenen, weiblichen „Torso Rosa (No. X.93)“ zu Wort, bei dem die erogenen Zonen in Signalrot gehalten sind (Taxe 350.000 bis 450.000 USD). Günstiger wird es mit Martin Eders Kitschbild „And Your Bones Crumble Like Cookies“ von 2004 (Taxe 30.000 bis 40.000 USD), Eberhard Havekosts gesichtslosem, schattenhaftem „Wesen“ von 2008 (Taxe 40.000 bis 60.000 USD), Günther Förgs vierteiligem Zyklus einfarbig bemalter Bleibilder von 1987 oder den anämischen Landschaften des Fotografen Elger Esser, etwa der Überschwemmung in „Pont de Ruan, Frankreich“ des Jahres 1997 (Taxe je 20.000 bis 30.000 USD). Für bekanntere deutsche Fotokünstler wie Thomas Struth muss man schon tiefer in die Tasche greifen. Sein „Museo del Prado I, Madrid“ aus seiner Museumsreihe liegt genau zehn Mal höher.
Aus Österreich grüßt schließlich Gottfried Helnwein mit seiner „Midnight Mickey“ von 2001, die doch etwas gefährlicher zu sein scheint als Warhols Exemplar (Taxe 80.000 bis 120.000 USD).
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