internationale Texte
11. Juli 1992
.
"Wer Ist Carl Barks?"
Neff Verlag, Rastatt
Gottfried Helnwein spricht mit Carl Barks
Gottfried Helnwein
Gottfried Helnwein trifft Carl Barks in Grants Pass in Oregon
Helnwein: Wie würde Ihnen die Idee gefallen, Entenhausen eines Tages nachzubauen? Barks: Wer kann schon sagen, wie Entenhausen wirklich aussieht? Helnwein: Wenn man Ihre Arbeiten gründlich studiert, so stößt man auf eine Menge Hinweise. Den Geldspeicher zum Beispiel. Barks: Der Geldspeicher ist wahrscheinlich das herausragende Gebäude in Entenhausen. Ich erinnere mich an eine Geschichte, die mit einem Panorama-Bild beginnt - Donald und seine Neffen blicken von einem Wolkenkratzer hinunter auf eine große geschäftige Stadt mit hohen, mächtigen Gebäuden, einem breiten Fluss und Dampfschiffen. Helnwein: Ja - ich erinnere mich. Barks: Aber das ist nicht das Entenhausen, an das sich die Leute erinnern sollten. Es müsste ein kleineres Entenhausen sein, in dem Daisys und Donalds Haus stehen, und ein paar Ecken weiter das Haus, in dem Gustav Gans (Gladstone Gander) lebt, und natürlich müsste es aber auch Daniel Düsentriebs Werkstatt geben.
Gottfried Helnwein and Carl Barks
1992
Das Gespräch fand am 11. Juli im Haus von Carl Barks in Grants Pass in Oregon statt.
Barks:
Aber das ist nicht das Entenhausen, an das sich die Leute erinnern sollten. Es müsste ein kleineres Entenhausen sein, in dem Daisys und Donalds Haus stehen, und ein paar Ecken weiter das Haus, in dem Gustav Gans (Gladstone Gander) lebt, und natürlich müsste es aber auch Daniel Düsentriebs Werkstatt geben.
Helnwein:
Mit all seinen absurden Erfindungen, Maschinen und Robotern ...
Barks:
Und dann oben auf dem Hügel - der gigantische Geldspeicher ...
Helnwein:
Und an einer Seite würden die Panzerknacker ein Loch in die Außenmauern bohren, und das Geld müsste herausquellen. Und all diese Fallen um und im Geldspeicher - ich würde sie so konstruieren, dass sie wirklich funktionieren, wenn man da hinein geht. Diese alten Kanonen zum Beispiel, die plötzlich aus dem Boden auftauchen.
Barks:
- Ja, mit so einem Geldspeicher kann man eine Menge Spaß haben.
Helnwein:
Seit meiner Kindheit träume ich davon, einmal in Onkel Dagoberts Talern wühlen zu dürfen.
Barks:
In Deutschland drucken sie immer noch eine Menge dieser Duck-Geschichten, nicht wahr?
Helnwein:
Ja, ich denke, Deutschland ist weltweit der größte Markt für Donald-Duck-Comics. Hier gibt es auch die meisten und fanatischsten Fans. Haben Sie schon mal von den Donaldisten gehört?
Barks:
Den Donaldisten?
Helnwein:
Dies ist ein Verein oder, besser gesagt, ein Orden, der sich als Gralshüter des ewigen und reinen Donaldschen Geistes versteht. Und die Donaldisten gehen davon aus, dass Entenhausen wirklich existiert.
Barks:
Gulp! - ich erinnere mich - ich glaube, ich habe mal so eine kleine Broschüre gesehen.
Helnwein:
Wissen Sie eigentlich, dass Ihre Geschichten in Deutschland von einer Frau namens Erika Fuchs genial übersetzt wurden?
Barks:
Sie muss sehr gut gewesen sein, denn durch die Gespräche mit Fans hatte ich immer den Eindruck, dass die deutschen Leser meinen Witz am besten verstanden haben, im Gegensatz zu den Italienern z.B., wo der Geist dieser Geschichten in der Übersetzung offensichtlich verlorengegangen ist.
Helnwein:
Was war der erste Comic, den Sie in Ihrem Leben gesehen haben?
Barks:
Oh, - das ist lange her, das war in meiner Kindheit, ungefähr 1906 oder 1907.
Helnwein:
Was war es? Little Nemo?
Barks:
Ja, Little Nemo war der erste Comic, an den ich mich erinnere - und dann kam "Happy Hooligan" und andere, aber am besten erinnere ich mich an Windsor Mc Cay's Little Nemo - phantastische Zeichnungen.
Helnwein:
Haben Sie damals gedacht, dass Sie jemals selbst Comics zeichnen würden?
Barks:
Ich glaube - ja. Ich wollte immer wissen, wie so etwas gemacht wird, und ich hatte große Lust, es selbst zu versuchen.
Helnwein:
Diese Geschichten erschienen damals in der Sonntagszeitung, nicht wahr?
Barks:
Ja, wir haben die Zeitung ungefähr am Dienstag bekommen. In San Francisco kam die Zeitung ja Samstag oder Sonntag heraus, aber wir da oben in Oregon haben sie erst Mitte der darauffolgenden Woche gekriegt, das war dann immer der totale Hit.
Helnwein:
Welcher Comic hat Sie am meisten inspiriert?
Barks:
Diese Frage hat man mir schon oft gestellt. Es gab mindestens ein Dutzend.
Helnwein:
Popey the Sailor?
Barks:
Einer davon war möglicherweise Popey the Sailor. Ich mochte die Stories, aber die Zeichnung interessierte mich nicht besonders. Die Stories waren aber auf jeden Fall sehr lustig.
Helnwein:
... und seltsam.
Barks:
Ja, der Aufbau der Geschichten, die Art, wie die Gags formuliert waren, und diese absurden Charaktere, die überhaupt keinen Sinn ergaben. Faszinierend. (lacht) Aber im allgemeinen waren mir die Zeichnungen wichtiger als die Texte und Gags. Ich war beeindruckt, wenn etwas wirklich gut gezeichnet war. Ich sammelte alle gut gezeichneten Comic-Strips.
Helnwein:
Die von Hal Foster z.B.?
Barks:
Ja, und Flash Gordon von Alex Raymond. Da gab es keinen Humor, und die Geschichten waren wirklich daneben - aber ich konnte einfach dasitzen und die Zeichnungen anschauen. Das hat mich inspiriert - natürlich konnte ich diese Zeichnungen später nicht für meine Duck-Geschichten verwenden, außer für den Hintergrund, oder was die Atmosphäre der Orte betraf.
Helnwein:
Was war die erste Geschichte, die Sie selbst geschrieben haben?
Barks:
Diese hier - (Barks weist auf die entsprechende Seite in der "Barks-Library" hin) ... das war im Frühjahr 1943. Damals durfte man noch solche schwarzen Enten zeichnen, heute würde das keiner mehr wagen, weil es die Schwarzen beleidigen würde. (lacht)
Helnwein:
Also mir gefallen diese schwarzen Enten.
Barks:
Aber sehen Sie sich diese Ente mit den Ohrringen an, das könnte man heute einfach nicht mehr machen.
Helnwein:
Gab es außer Donald noch irgendwelche andere Disney-Figuren, die Ihnen gefallen haben?
Barks:
Wen ich zum Beispiel nie ausstehen konnte, war Disneys Goofy.
Helnwein:
Warum?
Barks:
Goofy war einfach ein Schwachkopf. Ich konnte nie verstehen, was lustig sein sollte an jemandem, der schwachsinnig ist. Mickey war gut für die Art von Comics, für die er gedacht war. Für Abenteuergeschichten. Aber die Vorstellung, so etwas zeichnen zu müssen, hätte mir nicht behagt. Ich habe lieber mit der Ente gearbeitet, - Donald konnte ich herumstoßen, ich konnte ihn verunglücken lassen, ich konnte ihn von einem Felsen fallen lassen, oder was immer ich wollte. Mit Donald war es wirklich lustig. Mit Mickey wäre das gefährlich gewesen, denn er musste immer geliebt werden und aus allem als Sieger hervorgehen. Mit Donald hatte ich einen Komödianten, den ich ruhig schlecht behandeln und komisch aussehen lassen konnte.
Helnwein:
Donald war mehr der Typ des Verlierers.
Barks:
Das ist richtig, er war eine Art Verlierer.
Helnwein:
Aber einer, mit dem man sich identifizieren, und den man gern haben konnte.
Barks:
Da gab's ja noch viele andere Figuren von Disney, aber ich kann mich an keine erinnern, die überlebt hätte.
Helnwein:
Was ist mit Kater Karlo? (Petleg Pete)
Barks:
Ja, - Kater Karlo. Er war ein guter Bösewicht. Da gab's aber auch Jose Karioka, ein Papagei, der aus dem Film "Salutos Amigos" hervorgegangen war, aber er ist nie sehr populär geworden, weil er so ein anmaßender kleiner Snob war - so ein kleiner Alleswisser, ich glaube nicht, dass das Publikum ihn mochte. Pluto kam in vielen Comics vor, aber er war ein sehr künstlicher Hund, so anders als jede Vorstellung, die man von einem Hund hat. Ich habe ihn nie besonders gemocht. Er war ein blöder Hund. Nein, ich denke, von all den Figuren, die Disney je hatte, war Donald der Beste.
Helnwein:
Aber bevor Sie sich seiner angenommen hatten, war er ja noch gar keine Persönlichkeit. Erst Sie haben einen richtigen Menschen aus ihm gemacht.
Barks:
Sieht so aus. Wenn man eine Geschichte erzählen will, und zwar eine, die man immer wieder lesen kann, muss man ihr Substanz geben, es bedarf mehr als nur einiger Stürze und Schläge auf den Kopf. Es musste Motive geben für die verschiedenen Dinge, die die Figur tat, und Rückschläge für ihre Fehler. Es gehört eine Menge dazu, eine Zehn-Seiten-Geschichte zu schreiben. Viele Comic-Zeichner haben sich nicht die nötige Zeit dazu genommen. Aber meine Geschichten sind auch heute noch am Leben, viele andere sind vorbei und vergessen.
Helnwein:
Hatten Sie Kontakt zu irgendwelchen anderen Comic-Künstlern?
Barks:
Sehr wenig. Ich erinnere mich an einen, der mit seinen Arbeiten für Western Publishing ziemlich erfolgreich war. Er sagte zu mir, ich sei verrückt, dass ich so viel Arbeit in meine Duck-Geschichten investiere. Er begann damals für einen New Yorker Verlag zu zeichnen, der irgendwelche Geschichten über ein paar Krähen herausgab. Da kriegst Du doppelt so viel pro Seite, sagte er. Aber ich mochte diese Krähen nicht, das waren einfach ein paar aufdringliche Widerlinge, und ich sah keine Chance, dazu Geschichten zu erfinden, die Charakter hatten, oder irgendeine Dramaturgie. Ich dachte mir, da bleibe ich lieber zu Hause und arbeite weiter mit meinen Enten, hole mir mein Gehalt ab wie bisher und habe dafür ein wenig persönliche Befriedigung.
Helnwein:
Und über die Jahre hinweg haben Sie die Geschichte von Entenhausen entwickelt, mit all den verschiedenen Persönlichkeiten.
Barks:
Das kam daher, dass ich immer neues Material brauchte, um das Interesse an den Stories aufrechtzuerhalten, und es kamen immer neue Orte dazu, an denen die Geschichten spielten, und es kamen neue Leute dazu, die Donald treffen musste und mit denen er seine Geschäfte machte, und die Familie wuchs langsam und Entenhausen wuchs auch.
Helnwein:
Es ist komisch, aber ich und viele andere meiner Generation haben eine Menge von diesen Geschichten gelernt, weil sie immer irgendwelche realen Informationen enthielten. Im Ernst - von Donald Duck habe ich mehr gelernt als in allen Schulen, in denen ich war.
Barks:
Ich weiß auch nicht, warum ich so viel Forschung für meine Geschichten betrieben habe, aber ich hatte das Gefühl, die Ducks müssten an realen Orten agieren, damit es nicht dümmlich wirkte. In anderen Comics fuhren sie zu Inseln wie Booga Booga oder so, Orte ohne jeden Bezug zur Realität, und Backgrounds, die überhaupt nicht den entsprechenden Charakter, z.B. der Südsee, hatten. Wenn ich meine Ducks auf eine Insel in die Südsee schickte, so gab ich ihr einen Namen, der so klang, dass er wirklich auf der Karte hätte stehen können. Ich sah mir Bilder der Pflanzen und Bäume dort an, der Inseln, der Berge und von allem anderen, und gestaltete meinen Hintergrund so, dass es aussah, als wären die Ducks tatsächlich an jenen Ort gereist.
Helnwein:
Einmal sind Sie etwa zu realistisch geworden - erinnern Sie sich an die Geschichte mir der chemischen Formel? Man hat mir erzählt, Sie hätten ungewollt, und ohne es zu wissen, Donald eine chemische Formel erfinden lassen, die es tatsächlich gab, die aber streng militärisches Geheimnis der USA war.
Barks:
Nun - ich habe sie zum Teil aus der Encyclopedia Britanica gestohlen. Da gab es ein Kapitel über Chemie mit allen möglichen chemischen Formeln und in diesem Kauderwelsch, - CO2H2 und dergleichen, und aus einer endlosen Reihe von diesem Zeug nahm ich aus der Mitte einen Brocken heraus, und mischte alles durcheinander und schrieb es auf ein Stück Papier. So, das ist es, was ich getan hatte, und es stellte sich heraus, dass es die Formel für irgendeine gewaltige chemische Substanz war.
Helnwein:
Sie gehören zu den wenigen Menschen, nach denen ein Planet benannt wurde.
Barks:
Es ist ein Asteroid - In einer meiner späteren Geschichten, irgendwann in den Sechzigern, versuchte Onkel Dagobert, einen Asteroiden zu finden, auf dem er sein Geld verstecken konnte. Und irgendein Wissenschaftler der Cornell University, der in einem Laboratorium zur Erforschung von Asteroiden saß, las diese Geschichte und benannte eine seiner Entdeckungen nach mir: 2730 Barks. Er schrieb mir, dass die Oberfläche etwa 100 Hektar groß sei.
Helnwein:
Dann haben Sie einen Platz, wo Sie hinflüchten könnten, wenn diese Welt einmal zerstört wäre.
Barks:
Er wäre auf jeden Fall groß genug für einen Geldspeicher.
Helnwein:
Haben Sie Walt Disney persönlich gekannt?
Barks:
Oh ja - ich habe ihn bei den Story-Meetings getroffen. Er kam immer zum letzten Treffen ins Story-Department, manchmal aber auch während der Produktion.
Helnwein:
Wie war es, mit ihm zu arbeiten? Es gibt Leute, die sagen, er sei ein Diktator gewesen.
Barks:
Wenn du eine wirklich gute Geschichte hattest, war es sehr angenehm, ihn dabei zu haben, denn er lachte und steuerte weitere Gags bei. Aber wenn die Geschichte nicht gut war, war er sehr kritisch. Nun, er musste es sein, denn es war schließlich sein Geld, mit den wir alle bezahlt wurden. Normalerweise achteten wir aber sehr sorgfältig darauf, dass die Geschichte in einem guten Zustand war, bevor wir sie ihm zeigten.
Helnwein:
War er wirklich kompetent?
Barks:
Oh ja - er wusste genau, wann ein Gag in die Hose gehen würde. Und er sagte uns, woran wir noch feilen oder was wir kürzen mussten.
Helnwein:
Kümmerte er sich auch um die Zeichnungen, oder war ihm der Gag wichtiger?
Barks:
Die Zeichnungen im Story-Department waren ihm ziemlich egal, sie mussten nur die Geschichte transportieren. Wenn wir präzise, detaillierte Zeichnungen gemacht hätten, hätte er sich sicher aufgeregt. Er hätte uns gesagt: Jungs, ich bezahle Euch für Ideen und Geschichten und dass Ihr was in Bewegung bringt.
Helnwein:
Sie haben mir vorhin eine alte Skizze gezeigt, die Sie während einer Gewerkschaftssitzung gemacht haben. Man sieht da verschiedene Karikaturen von Leuten die auf einen Hitler zeigen, was bedeutet das?
Barks:
Das war nach der Arbeit, in irgendeinem Gebäude drüben in Hollywood. Nach den Disney-Streiks hatten wir eine Gewerkschaft gegründet und dies hätte eine Gewerkschaftsveranstaltung sein sollen. Aber statt über Gehälter und Arbeitsbedingungen zu reden, war da ein Haufen Kriegstreiber, die sich dafür einsetzten, dass Amerika den Deutschen den Krieg erklären sollte, und unsere Jungs in die Schlacht schicken wollten.
Die meisten von uns wollten überhaupt nicht, dass Amerika in den Krieg eintritt. Warum auch zum Teufel? Wir waren schon mal drüben gewesen und hatten gegen die Deutschen gekämpft, damals 1916-1917, und angeblich hätte dies den Frieden für die ganze Welt bringen sollen - für alle Zeiten.
Und nun waren wir schon wieder dabei, unsere Jungs zum Sterben zu schicken. Für die meisten von uns im Studio sah es aus wie die Wiederholung einer finsteren Tragödie. Außerdem störte uns die Tatsache, dass uns das von Melvin Douglas erzählt wurde, einem notorischen Kommunisten: Wir müssten in den Krieg, sagte er, um Russland vor den deutschen Nazis zu retten, die damals vor den Toren Stalingrads standen. Aber es kümmerte uns einen Dreck, ob die eine Seite gewinnen würde oder die andere, solange wir uns nur raushalten konnten.
Helnwein:
War Disney bei diesen Treffen?
Barks:
Nein, keiner der leitenden Disney-Angestellten war da. Das war ja eine Arbeitergewerkschaft.
Helnwein:
Waren Sie da, als der große Streik stattfand?
Barks:
Nun, ich war einer vom Story-Department, wir haben nicht gestreikt. Es waren die Animatoren und Inbetweeners, die streikten. Wir vom Story-Department gingen jeden Morgen durch die Sperre.
Helnwein:
Wie standen Sie zu dem Streik?
Barks:
Ich war dagegen. Ich hatte das Gefühl, dass da etwas zerstört wird.
Die Disney-Studios waren ein Ort, wo es keine Stechuhr gab - wir konnten zur Arbeit kommen, wann immer wir Lust hatten. Wenn du zur Arbeit erschienen bist, gut gearbeitet und was getan hast, bist du verdammt gut bezahlt worden. Wenn du ein Drückeberger warst oder jemand, der sich ständig beklagt hat, hast du keine Gehaltserhöhung bekommen und es waren vor allem diese Drückeberger und Querulanten, die diesen Streik organisiert hatten.
Helnwein:
Sind Sie der Meinung, dass Disney fair war zu seinen Angestellten und Künstlern?
Barks:
Er war fair - natürlich, er hätte rücksichtsvoller und menschlicher sein können zu seinen Angestellten, aber es waren schließlich harten Zeiten damals. Er hatte viele von uns geholt, die, wenn sie Glück hatten, bei irgendeinem Job $10.- in der Woche verdienen konnten - und er gab uns $20.- die Woche. Ich kenne viele, die ihm nicht dankbar dafür waren. Sie dachten, wenn ein Disney-Film $100,000 einbrachte, so stünde ihnen die Hälfte davon zu. Walt aber investierte die ganzen $100,000, um einen neuen Film zu machen.
Helnwein:
Hat Disney jemals einen Kommentar über Ihre Donald-Duck-Geschichten abgegeben?
Barks:
Ich weiß nicht einmal, ob er meine Geschichten jemals gelesen hat oder nicht. Es waren die Leute vom Publication Department, die sich um all diese Sachen kümmerten und Disneys Interessen bezüglich der Comicbooks vertraten. Sie wussten, was ich tat, und der Umstand, dass sie ihre Jobs nicht verloren, die ganze Zeit da waren und gut bezahlt wurden, lässt darauf schließen, dass Disney zufrieden gewesen sein musste.
Helnwein:
Und all die Orte, die Sie in Ihren Geschichten beschrieben, kennen Sie nur aus den National-Geographic-Zeitschriften?
Barks:
Sie waren meine wichtigste Informationsquelle bezüglich Geographie, Nationen, Leuten und Orten.
Helnwein:
Waren Sie jemals an einem dieser Plätze?
Barks:
Nein, ich war in Tichuana in Mexiko und in Victoria in British Columbia, das ist alles.
Helnwein:
Erinnern Sie sich noch, als Sie die erste Ente Ihres Lebens gezeichnet haben?
Barks:
Ich glaube, in der Grundschule habe ich eine in ein Schulbuch gekritzelt. Den ersten Donald habe ich 1935 gezeichnet, als ich zu Disney kam.
Helnwein:
Gab es eine Zensur bei Disney?
Barks:
Ja.
Helnwein:
Wurden Ihre Arbeiten auch zensiert?
Barks:
Nicht oft, denn ich hatte ja schon sieben Jahre in den Zeichentrick-Studios hinter mir und wusste ganz gut, was sie wollten und was nicht.
Helnwein:
Ich denke an diese Spionage-Geschichte mit all den Spionen, Gegen-Spionen und Gegen-Gegen-Spionen, wo Sie wunderschöne menschliche Mädchen gezeichnet haben: mit richtigen Brüsten.
Barks:
Da war ich aber in Schwierigkeiten.
Die ersten Probleme habe ich mit meiner 2. oder 3. Geschichte bekommen, es war eine 10-Seiten-Story, Donald war ein Rettungsschwimmer, und da war dieses liebliche, gutgebaute Entenmädchen. Ich musste damals mehrere Stunden im Büro des Art Editors damit verbringen, alle Brüste wieder flach zu machen.
Helnwein:
Hätten Sie mehr Erotik und attraktive Mädchen in Ihren Geschichten gehabt, wenn es erlaubt gewesen wäre?
Barks:
Oh ja, das hätte mir gefallen. Also, es hätte nicht unbedingt mehr Sex sein müssen, aber ich hätte attraktiv aussehende, menschliche Mädchen verwendet, aber der Editor lehnte dies ab. Sie wollten die Enten auf keinen Fall mit richtigen Menschen zusammenkommen lassen. Die Mädchen mussten Enten- oder Hundegesichter haben. Etwa zur gleichen Zeit, als diese Geschichte entstand, hat Walt Disney den Zeichentrickfilm "Salutos Amigos" herausgebracht, wo sich Donald wie ein richtiger Wolf aufgeführt hat.
Helnwein:
Wie ein Wolf?
Barks:
Ja, der hat gebalzt und geschäkert und sich an all diese schönen Mädchen rangemacht wie ein geiler Wolf, da dachte ich, ich komme mit meiner Geschichte durch.
Helnwein:
Als Sie sich dann zur Ruhe gesetzt hatten, begannen Sie, Ölbilder zu malen. Aber Ihre Ducks durften Sie ja nicht malen, da das Urheberrecht dei Disney lag, - nicht wahr?
Barks:
Ja, für 5 Jahre malte und zeichnete ich kleine Landschaften und verkaufte sie bei Ausstellungen. Es waren magere Jahre, ich verdiente nicht viel.
Ich glaube, es war 1971, da fragte mich einer, ob ich ihm nicht ein Bild von dem Cover mit dem kleinen Segelboot aus dem Jahr 1949 malen könnte. Nun, ich sagte, diese Enten gehören Disney und ich müsste um Erlaubnis fragen. Aber ich dachte, es wäre eine angenehme Möglichkeit, ein paar Dollars zu verdienen, denn mit meinen anderen Bildern hatte ich kein Glück.
So schrieb ich an George Sherman, der damals das Publication-Department leitete, und er sagte einfach: "aber ja - nur zu!" Er fügte hinzu, die Bilder müssten nur gut genug sein, damit sich die Disney-Studios dafür nicht zu schämen bräuchten. 1976 hörte ich auf, denn die Sammler waren inzwischen verdammt aufdringlich geworden. Wenn ich jemandem ein Bild gemalt hatte, waren alle anderen böse auf mich, denn jeder dachte, es hätte ihm zugestanden. Es war mir unmöglich geworden, die Warteliste noch unter Kontrolle zu halten. Ich wusste nicht, wie ich all diese Leute zufrieden stellen sollte, und außerdem wollte ich sowieso keine Enten mehr malen.
Helnwein:
Später sind Sie aber wieder rückfällig geworden.
Barks:
Von 1976 bis 1982 hatte ich Ruhe. Dann begann ich mit den Lithographien und neuen Ölbildern. Nun habe ich aber einen Punkt erreicht, wo ich nicht mehr arbeiten will. Ich glaube, ich werde nie mehr eine Ente malen.
Helnwein:
Sie haben ja Millionen davon gezeichnet.
Barks:
Ja, so viele waren es sicher.
Carl Barks, Gottfried Helnwein
1992
Wer Ist Carl Barks? By Gottfried Helnwein. Neff Verlag, 1993. ISBN 3-8118-5341-4




nach oben